
Durch Bindung lernen unsere Kinder Anpassungsfähigkeiten.
Durch Autonomie lernen unsere Kinder Abgrenzungsfähigkeiten.
Durch die Balance zwischen guter Bindung und gelungener Autonomie entwickelt sich über die Zeit der Selbstwert unseres Kindes.
Nach der Geburt unseres Kindes - also in dem Moment der "Ent - Bindung" - entstehen die Grundbedürfnisse nach Bindung und Autonomie.
Eine sichere Bindung ist dabei die Wurzel.
Vergleichbar mit der Wurzel eines Baumes, gibt sie deinem Kind Sicherheit, Orientierung, Halt und Stabilität.
Auch wenn es einmal "stürmischer" in seinem Leben zugehen sollte, bleibt es fest verwurzelt.
Menschen - als soziale Wesen - suchen immer nach (Ver) Bindung.
Dafür müssen wir nicht nur lernen zu kooperieren, sondern auch uns abzugrenzen und miteinander zu kommunizieren.
Wir wollen uns also nicht nur (ver)binden, sondern wollen auch unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchsetzen und Autonomie erlangen.
Alle Menschen streben also von Beginn an auch danach ihr Leben selbst bestimmen zu können.
Als Säugling und Kleinkind sind wir extrem abhängig von unseren Bezugspersonen.
Unser Leben hängt praktisch von ihnen ab.
Trotzdem wollen schon Babys und Kleinkinder Einfluß auf ihr Leben nehmen.
Dieses "Einfluß nehmen wollen" können wir auch Selbstwirksamkeit nennen.
Kinder wollen und müssen die Erfahrung machen, dass sie in ihrem eigenen Leben etwas bewirken können - denn sich immer abhängig und hilflos fühlen, kann niemals dazu führen, dass wir voller Zuversicht an uns glauben und daran, dass wir stark und selbstbewusst die Verantwortung für unser Leben übernehmen können.
Neben all der Verbundenheit wollen wir uns also frei fühlen.
Die zwei scheinbaren "Gegenspieler" (Verbundenheit und Freiheit) sollten sich dabei möglichst in Balance entwickeln.
Um sich "frei" oder "autonom zu fühlen, muss unser Kind "Selbstwirksamkeits - Erfahrungen" machen, die ihm über die Zeit Selbstvertrauen, Mut und Zutrauen zu sich und dem Leben vermitteln.
Ihm das Gefühl geben:
• Ich kann selbst in mein Leben eingreifen, es nach meinen Vorstellungen verändern.
• Ich kann mein Leben mitbestimmen - langfristig sogar selbst bestimmen!
• Ich kann auf mein Leben einwirken und es gegebenenfalls zum Guten verändern.
• Ich darf und kann Verantwortung für mein Leben übernehmen.
Diese Fähigkeit zeigt sich besonders deutlich, wenn wir in einer schwierigen Situation stecken. Wenn wir nämlich wiederholt die Erfahrung gemacht haben, ich kann mir selbst helfen, ich kann mein Leben mitbestimmen, dann fasse ich schneller Mut und versuche den ersten Schritt hin zu einer positiven Veränderung zu machen.
Falls ich keine Selbstwirksamkeitserfahrungen machen konnte, überkommt mich eventuell Hilflosigkeit und das Gefühl ich kann nichts tun - ich bin Opfer der Situation oder glaube, dass sich erst jemand anderer verändern muss, damit es mir wieder besser gehen kann. Ich glaube, dass ich mir selbst nicht helfen kann.
Wem die Balance zwischen Bindung und Autonomie also gut gelingt, dessen Selbstwert kann sich gut entwickeln.
Schon Säuglinge zeigen ihr Bestreben nach Selbstwirksamkeit.
Ein Beispiel:
Indem sie schreien und die Erfahrung machen, dass jemand kommt - sie mit ihrem Schreien im besten Fall also etwas erreichen und ihr Bedürfnis erfüllt wird - machen sie gleichzeitig die Erfahrung von "Bindung" und "Autonomie".
Da ist jemand, der mir Sicherheit, Liebe, Essen und Halt usw. gibt (Bindung) und ich kann etwas bewirken in dem ich schreie (Selbstwirksamkeit).
Ich kann durch mein Schreien bewirken, dass jemand kommt und mein Bedürfnis erfüllt.
Das sind die Grunderfahrungen im Leben eines Kindes und deshalb ist es so wichtig, dass Grundbedürfnisse (Schlaf, Hunger, Liebe, Schutz, Sauberkeit) in den ersten ca. zwei Lebensjahren tatsächlich immer sicher erfüllt werden.
Denn darüber erhält das Kind das Gefühl:
Bin ich es wert, dass für mich liebevoll gesorgt wird?
Oder bin ich es nicht wert? Rufe ich Ärger hervor, wenn ich mich melde?
(vgl.: Bauer, J. : Fühlen was die Welt fühlt, 2020, München)
Ab dem zweiten Lebensjahr, wird das Kind seine Welt nach und nach immer aktiver und selbstbestimmter erkunden wollen. Und das ist auch gut so. Es braucht nun immer weitere Erfahrungen über sein Leben mitbestimmen und eingreifen zu können. Es will erste Erfahrungen machen, sich etwas "unabhängiger" zu fühlen, indem es eigene Entscheidungen treffen darf.
Die Wünsche der Mitbestimmung erscheinen - aus unserer Sicht - häufig als "Banalität":
• Ich will meine Schuhe alleine anziehen..
• Ich will alleine essen...
• Ich will alleine....
• Ich kann das aber...
• Nein, ich will..
Für unser Kind sind es jedoch enorm wichtige Selbstwirksamkeit- Erfahrungen.
Die ersten Schritte, die ihm den Weg in seine Autonomie zeigen.
Die ihm jedoch gleichzeitig zeigen, ich werde mit meinem Wunsch und mit meinen Gefühlen ernst genommen.
Auch, wenn meine Wünsche nicht immer erfüllt werden (können).
Der Selbstwert unseres Kindes entwickelt sich also darüber wie und welche Rückmeldungen wir ihm geben und welche Erfahrungen es macht.
Rückmeldungen in Bezug darauf, was es in seinem Leben bewirken kann, aber auch wie es auf andere wirkt. Denn das wird ab dem zweiten Lebensjahr genauso wichtig.
Wie wirke ich auf andere?
Hier kommt eine neue Perspektive ins Spiel, die sich jedoch bei unserem Kind erst durch unsere Unterstützung entwickeln kann. (ab ca. dem 2. Lebensjahr)
(vgl.: Bauer, J.: Fühlen was die Welt fühlt, 2020, München)
Ist es angemessen, mich auf den Boden zu werfen und zu schreien, wenn ich etwas will?
Wie wirke ich auf andere - auch hier braucht unser Kind unsere regelmäßigen Rückmeldungen und nur mit unserer Hilfe kann und muss es lernen, wie es sich z.B. bei starken Gefühlen regulieren kann.(vgl.: Bauer, J.: Fühlen was die Welt fühlt, 2020, München)
Hier dürfen wir unserem Kind unsere Grenzen und unsere Entscheidungen darüber, was es unserer Meinung nach darf, was wir erlauben wollen usw. ruhig und bestimmt mitteilen.
Auch wenn es deshalb schreit und lautstark weint, dürfen wir ruhig, liebevoll und bestimmt dabei bleiben.
Dann spürt das Kind unsere "Bestimmtheit" und wird sich wieder beruhigen.
Keinesfalls sollten wir uns deshalb verunsichern lassen und glauben, wir würden unserem Kind mit unserem "Nein" Schaden zufügen. Wir zeigen damit unsere Verantwortung als Eltern - viele Dinge kann ein Kind in diesem Alter noch nicht verstehen und auch noch lange nicht "einsehen."
Es wird sich im Gegenteil bei uns sicher und gut aufgehoben fühlen.
Das Gefühl des Selbstwertes entwickelt sich z.B. auch über folgende Erfahrungen:
Darf ich mein Bedürfnis äußern? Wie wird darauf reagiert?
Darf ich Fragen stellen?
Darf ich die Wahrheit sagen?
Darf ich Fehler und Scheitern zugeben?
Darf ich Kritik äußern und kann ich Rückmeldungen annehmen?
Darf ich Forderungen stellen?
Werde ich als Mensch "verurteilt" oder wird mein "Verhalten" in Frage gestellt?
Werde ich mit meinen Wünschen und Gefühlen ausgelacht, verurteilt oder ernst genommen?
Welche Rückmeldungen geben wir unserem Kind? Wo müssen wir noch dazu lernen?
Wenn wir diese Dinge als Eltern weitgehend zulassen und gut machen, und versuchen eine fehlerfreundliche Familien Kultur zu schaffen, dann fühlt sich unser Kind wertvoll und geliebt.
Welches Gefühl wir unserem Kind vermitteln, steuert nämlich sein eigens Erleben und Handeln.
Wenn es davon ausgeht:
Ich bin nichts wert, dann wird es sich nicht wirklich "zeigen", es wird wird nichts einfordern und sich auch nicht trauen seine Fehler, seine Misserfolge oder auch "schlechte Entscheidungen" zuzugeben.
Es wird glauben, es müsse perfekt sein, um geliebt zu werden oder es bekommt das Gefühl es sei sowieso sinnlos, sich anzustrengen, denn es habe kein Recht dazu für sich einzutreten.
Kinder mit einem gesunden Selbstwert leben dagegen im Einklang mit sich selbst.
Sie können sich und anderen ihre Fehler eingestehen.
Sie verzeihen sich ihr Versagen und nehmen sich selbst an.
Sie können ihre Misserfolge richtig einschätzen und sich selbst immer wieder Mut machen.
Sie können Ja sagen und in Verbindung gehen, jedoch auch Nein sagen und sich von anderen abgrenzen.
Du kannst das Selbstwertgefühl deines Kindes stärken, indem du:
• Ihm zuhörst und seine Gefühle immer ernst nimmst - auch, wenn du es nicht verstehst.
• Wenn du dir für dein Kind Zeit nimmst und versuchst es zu verstehen.
• Wenn du es auffängst, wenn es scheitert.
• Es wahrnimmst und ihm zeigst, dass es geliebt wird.
• Wenn es seine Grenzen selbst ausloten darf.
• Wenn du ihm auch die Möglichkeiten gibst, Grenzen überwinden zu können.
• Wenn du ihm Mut machst sich auch schwierigen Herausforderungen zu stellen.
• Indem du selbst Integrität wahrst. Deine Aussagen mit deinen Handlungen
also übereinstimmen.
• Wenn du ihm Möglichkeiten bereit stellst, sich eigenständig Wissen anzueignen.
• Wenn du seine Neugierde unterstützt.
• Wenn du selbstständiges Nachdenken unterstützt und dich mit deinem Wissen
zurück hältst.
• Wenn du ihm echte Aufgaben gibst, die seinem Alter entsprechen
• Wenn du Vertrauen in seine Fähigkeiten und in seine Entwicklung hast
Beobachte dein Kind und versuche zu erkennen:
• Welche Fragen es stellt?
• Für was es sich interessiert?
• Was es wissen will ?
• Was es alleine machen will ?
Und frage dich:
• Was kannst du tun, um das Interesse deines Kindes zu unterstützen?
• Was kannst du deine Kinder selbst machen lassen?
• Wobei sind sie zufrieden und glücklich?
• Gibst du ihnen genug Raum für eigene Erfahrungen?
Falls du Fragen hast oder mit mir arbeiten möchtest, schreibe mir einfach eine kurze email unter:
oder ruf mich an oder schreibe mir eine kurze Nachricht unter:
+49 176 621 00 267
Ich freue mich auf Dich,
Herzlichst, Claudia
Erziehungsberatung online | Erziehungsberatung Stuttgart
Fachliteratur:
Bauer, J.: Selbststeuerung: Die Wiederentdeckung des freien Willens, 2015, München
Bauer, J.: Fühlen was die Welt fühlt, 2020, München
Zimmer, R.: Handbuch Sinneswahrnehmung. Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung. 2019, Freiburg im Breisgau
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